

Regierungskrise in Frankreich: Macron will bis zum Abend nächsten Premier ernennen
Vier Tage nach dem überraschenden Rücktritt des französischen Premierministers Sébastien Lecornu will Präsident Emmanuel Macron am Freitag seinen nächsten Regierungschef ernennen, der Spekulationen zufolge erneut Lecornu sein könnte. Am Freitagabend läuft die Frist ab, die Macron sich für die Ernennung eines Premierministers selbst gesetzt hat. Zuvor hat der Präsident um 14.30 Uhr alle Partei- und Fraktionschefs mit Ausnahme der Vertreter der links- und rechtspopulistischen Parteien in den Elysée eingeladen. Ein Grund für dieses Treffen wurde nicht genannt.
Derweil gibt es zahlreiche Spekulationen über den künftigen Premierminister, wobei weibliche Namen kaum genannt werden. Häufig wird gemutmaßt, dass Macron Lecornu erneut ernennen könnte. Macron hatte ihn gleich nach seinem Rücktritt damit beauftragt, weiter zu verhandeln, um Grundzüge eines Regierungsprogramms festzulegen.
Lecornu hatte am Mittwoch betont, dass er "dem Job nicht hinterherlaufe" und seine Mission für beendet ansehe. Er hatte sich aber auch optimistisch gezeigt, dass eine "absolute Mehrheit der Abgeordneten" sich auf einen Haushalt einigen könne.
Auch der Name des 75 Jahre alten früheren Ministers Jean-Louis Borloo als möglicher neuer Premierminister fiel mehrfach. Er hat seit mehr als zehn Jahren kein politisches Amt mehr inne, gilt aber als gut vernetzt. Borloo erklärte allerdings, dass der Elysée ihn bislang nicht kontaktierte habe.
Es gibt auch die Hypothese, dass Macron sich schließlich doch noch für einen Premierminister aus dem linken Lager entscheiden könnte, das bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr stark abgeschnitten hatte. Als Kandidaten gelten der ehemaligen Premierminister Bernard Cazeneuve und der Vorsitzende des Rechnungshofs, Pierre Moscovici.
Moscovici erinnerte am Freitag daran, dass der Haushaltsentwurf für 2026 am Montag im Kabinett vorgelegt werden müsse, um bis Jahresende verabschiedet werden zu können. Dabei müsse es derselbe Entwurf sein, der vor Lecornus Rücktritt bereits zur Prüfung an den Rechnungshof gegangen war. Dieser sehe ein Defizit von höchstens 4,7 Prozent vor, betonte Moscovici in einem Interview mit "Le Parisien". Lecornu hatte nach den jüngsten Beratungen mit Parteivertretern angedeutet, dass ein Defizitziel von fünf Prozent denkbar sei.
"Die Zinsen für die Schulden betragen inzwischen 70 Milliarden Euro, 2021 waren es noch 25 Milliarden", sagte Moscovici. Mit Blick auf die Staatsfinanzen warnte er vor einem "Schneeballeffekt, der eine Lawine auslösen könnte".
Der neue Premierminister wird der achte seit Beginn von Macrons Amtszeit 2017 und der vierte seit den vorgezogenen Parlamentswahlen 2024. Diese Wahl hatte zu einer Spaltung der Nationalversammlung in drei Blöcke geführt - das linke Lager, das Regierungslager in der Mitte und das rechtspopulistische Lager - von denen keiner mehrheitsfähig ist.
Die wichtigste Aufgabe des neuen Premierministers wird es sein, einen Haushalt durch das Parlament zu bekommen, der der dramatischen Finanzlage des Landes gerecht wird. Die Stimmen der Links- und Rechtspopulisten reichen gemeinsam allerdings weiterhin aus, um auch die nächste Regierung wieder zu stürzen.
M.Walker--VC